Semperit: Starkes Halbjahresergebnis im Sektor Industrie trotz schwieriger Marktbedingungen
- Konzernweiter Umsatz ging wegen des erwarteten Einbruchs des Medizingeschäftes um –13,6% auf 570,6 Mio. EUR zurück
- Außerordentlich starkes Umsatzwachstum im Sektor Industrie um 38,9% auf 372,3 Mio. EUR; Halbierung im Sektor Medizin um –49,5% auf 198,3 Mio. EUR
- EBITDA sank um –69,6% auf 75,2 Mio. EUR, EBITDA-Marge um –24,3 Prozentpunkte auf 13,2% (H1 2021: 37,5%)
- EBIT mit –78,5% auf 48,4 Mio. EUR rückläufig; EBIT-Marge um –25,5 Prozentpunkte geringer bei 8,5% (H1 2021: 34,0%)
- Verringerung des Free Cashflows auf –4,6 Mio. EUR (H1 2021: 117,0 Mio. EUR)
- Organischer Wachstumsschub durch dreistelliges Millioneninvestment in den nachhaltigen Ausbau der weltweit größten Produktionsstätte für Industrie- und Hydraulikschläuche (Odry)
Wien, Österreich, 17. August 2022 – Die börsennotierte Semperit-Gruppe verzeichnete im ersten Halbjahr 2022 in einem fortlaufend schwierigen Marktumfeld gemessen an der von Rekordergebnissen geprägten Vergleichsperiode des Vorjahres einen Umsatz- und Ergebnisrückgang. „Uns als Vorstand der Semperit-Gruppe freut die hervorragende Performance unseres Fokus-Sektors Industrie, in dem wir nach wie vor ganz klar die Zukunft von Semperit sehen, natürlich besonders“, sagt CEO Karl Haider. „Im Sektor Medizin hingegen war nach der pandemiebedingten Sonderkonjunktur der Jahre 2020 und 2021 die erwartete Rückkehr zur Normalität zu beobachten. In Summe haben wir in einem von schwierigen Rahmenbedingungen geprägten Umfeld ein sehr starkes Ergebnis erzielt; müssen aber aufgrund der gegebenen Unsicherheiten mit Blick auf das Jahresergebnis 2022 vorsichtig bleiben und die Gewinnwarnung von März bestätigen. Auch die vor zweieinhalb Jahren beschlossene Trennung vom Medizingeschäft rückt nun wieder stärker in unseren Fokus.“
Erneut hervorragendes Umsatzwachstum im Sektor Industrie
Inmitten eines weiterhin sehr schwierigen Marktumfeldes, das von hoher Inflation, steigenden Kosten für Rohstoffe, Energie, Löhne und Transport sowie eskalierenden geopolitischen Spannungen geprägt war, verzeichnete die Semperit-Gruppe gegenüber dem ersten Halbjahr 2021 einen Rückgang des Konzernumsatzes um vergleichsweise geringe –13,6% auf 570,6 Mio. EUR: Die Rekordergebnisse in der Vorjahresperiode waren dank der pandemiebedingten Sonderkonjunktur bei medizinischen Schutzhandschuhen außerordentlich hoch gewesen.
Der Sektor Industrie erzielte im ersten Halbjahr 2022 erneut ein starkes Umsatzwachstum von 38,9% auf 372,3 Mio. EUR. Dies ist maßgeblich auf die Anhebung der durchschnittlichen Verkaufspreise in allen Segmenten zurückzuführen, womit rohstoff- und energieseitige Preissteigerungen zum größten Teil zeitnah weitergegeben werden konnten. Demgegenüber ging der Umsatz im Sektor Medizin um 49,5% auf 198,3 Mio. EUR zurück, was vor allem auf das stark rückläufige Preisniveau nach Ende des Booms bei medizinischen Schutzhandschuhen zurückzuführen war. Die durchschnittlichen Verkaufspreise lagen im ersten Halbjahr immer noch über dem Vor-Corona-Niveau, sind jedoch weiterhin im Sinken.
Operatives Ergebnis von deutlichen Kostenanstiegen belastet
Sowohl der Umsatzrückgang im Vergleich zur Vorjahresperiode als auch steigende Kosten für Materialaufwand (inklusive Energie und bezogene Leistungen) von +12,7%, Personalaufwand von +10,3% und sonstige betriebliche Aufwendungen (speziell Ausgangsfrachten) von +25,8% belasteten das operative Ergebnis. Das in den vergangenen zwei Jahren infolge der pandemiebedingten Sonderkonjunktur auf außerordentliche Niveaus angestiegene EBITDA ist von 247,5 Mio. EUR im H1 2021 um –69,6% deutlich auf 75,2 Mio. EUR gesunken (Industrie +64,4%; Medizin –92,9%). Die EBITDA-Marge lag bei 13,2% (H1 2021: 37,5%). Das EBIT sank auf 48,4 Mio. EUR im H1 2022 nach 224,6 Mio. EUR im Vorjahr. Die EBIT-Marge der Semperit-Gruppe ging damit 34,0% im H1 2021 auf aktuell 8,5% zurück.
Die zahlungswirksamen Investitionen in immaterielle Vermögenswerte und Sachanlagen lagen im ersten Halbjahr 2022 mit 28,4 Mio. EUR über dem Niveau der Vergleichsperiode des Vorjahres in Höhe von 18,8 Mio. EUR und werden sich auch in Zukunft zunehmend auf wachstumsorientierte Investitionen konzentrieren.
Im ersten Halbjahr 2022 betrug der Free Cashflow belastet durch regelkonforme Steuerzahlungen im Zusammenhang mit der Sonderkonjunktur 2021 insgesamt –4,6 Mio. EUR gegenüber 117,0 Mio. EUR in der Vergleichsperiode des Vorjahres.
Ausblick
Nach einem erfolgreichen ersten Halbjahr 2022, das von einem außerordentlich guten Ergebnis des Sektors Industrie kennzeichnet war, während zugleich die Corona-bedingte Sonderkonjunktur bei medizinischen Schutzhandschuhen zu Ende ging, rechnet die Semperit-Gruppe mit einem deutlich schwächeren Ergebnis für das zweite Halbjahr 2022 und bestätigt daher den in März veröffentlichten Ausblick. Dem liegen folgende Annahmen zugrunde: Das zweite Halbjahr ist für die Semperit-Gruppe infolge saisonaler Zyklizität in der Regel das schwächere Halbjahr. Die regelmäßigen geplanten Wartungsarbeiten und Werksschließungen im Sommer und zu Weihnachten untermauern diesen Effekt. Nach dem Auslaufen der Corona-bedingten Sonderkonjunktur wird weiter mit einem deutlich schwächeren Beitrag des Sektors Medizin gerechnet, welcher das Ergebnis der Gruppe belasten wird. Das lässt sich einerseits auf die Normalisierung des Preisniveaus und anderseits auf eine reduzierte Nachfrage infolge hoher Lagerstände der Kunden, die sich nur schrittweise abbauen lassen, bzw. auf die rascher als erwartet erfolgende Rückkehr zu einem Käufermarkt zurückführen. Die in der Corona-Pandemie weltweit zusätzlich geschaffenen Produktionskapazitäten vergrößern die aktuelle Nachfragelücke. Hinzu kommt die spätestens für Ende 2022 erwartete Abkühlung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die die Ergebnisse des Sektors Industrie voraussichtlich ebenfalls negativ beeinflussen dürfte.
Darüber hinaus kann das Jahresergebnis der Semperit-Gruppe natürlich auch von Entwicklungen wie dem Russland-Ukraine-Krieg erheblich beeinflusst sein. Unmittelbar nach Kriegsausbruch hat die Semperit-Gruppe im Einklang mit den Sanktionen der europäischen Union alle Lieferungen nach Russland und Weißrussland eingestellt. Die mit dem Russland-Ukraine-Konflikt eng verbundene Entwicklung der Energiekriese in Europa (Energiepreise und -verfügbarkeit) spielt in diesem Zusammenhang ebenfalls eine signifikante Rolle: Eine mögliche Unterbrechung oder Einstellung der Gasversorgung zur Gänze aus Russland stellt ein Risiko dar, das die Semperit-Gruppe allerdings mit Gegenmaßnahmen mitigiert (siehe unten). Weitere wesentliche Einflussfaktoren im Zusammenhang mit dem Krieg und im Speziellen mit den Sanktionen sind die Risiken, dass spezielle Roh- und Hilfsstoffe zur Herstellung vulkanisierter Kautschukprodukte sowie weitere Unternehmen entlang der Lieferkette auf die Sanktionsliste aufgenommen werden könnten. Dies würde zu weiteren Verschiebungen der Beschaffungsströme und Preiserhöhungen führen. Neben der allgemeinen Frage der weltweiten Verfügbarkeit, bzw. der Preissteigerungen erforderlicher Roh- und Hilfsstoffe besteht des Weiteren das Risiko, dass jene, die bei ihrer Herstellung energieintensiv sind, sich abhängig vom Erdöl- und Erdgaspreis weiter verteuern. Außerdem besteht im Zusammenhang mit funktionsfähigen Lieferketten Unsicherheit in Bezug auf eine hinreichende Containerverfügbarkeit zur Auslieferung der Erzeugnisse und die Verfügbarkeit qualifizierten Personals. Eine mögliche weitere Verknappung und Verteuerung europäischer Frachtkapazitäten im Straßengüterverkehr würde dieses Problem weiter verschärfen.
Hinzu kommt die nach wie vor schwierige Kalkulierbarkeit der Effekte im Zusammenhang mit der weiteren Entwicklung der Corona-Pandemie und deren Einfluss auf die internationalen Produktionsstandorte. Das macht sich etwa bei den jüngsten Entwicklungen in China bemerkbar.
Um Materialengpässen entgegenzuwirken, hat das Management die bewusste Entscheidung getroffen, bei kritischen Materialien Sicherheitsbestände aufzubauen. Dies spiegelt sich u.a. in einer temporären Erhöhung des Working Capitals wider. Um auf einen möglichen Ausfall der russischen Erdgaslieferungen vorbereitet zu sein, hat das Management der Semperit-Gruppe beschlossen, künftig Energiequellen und Technologien zu nutzen, die im Gegensatz zu den aktuell verwendeten Dampfkesselbrennern nicht mit Erdgas befeuert werden müssen. Dies gilt insbesondere für die Standorte im österreichischen Wimpassing und im tschechischen Odry, aber auch für die deutschen Standorte. Diese Alternativen sollen im Laufe des H2 2022 einsatzbereit sein.
Absatzseitig bestehen Unsicherheiten, da sowohl im Sektor Medizin als auch zum Teil im Sektor Industrie kundenseitige Bestandsoptimierungsprogramme zu einem Bestellverhalten der Kunden abseits des Üblichen führen können. Dies ist auch durch die Kostensteigerungen bedingt, da die Möglichkeiten zur Preisweitergabe von der Preissensitivität der jeweiligen Kunden und den Dynamiken an den segmentspezifischen Produktmärkten abhängen werden.
Unklar und damit auch unsicher sind die noch nicht absehbaren weiteren Entwicklungen weiterer geopolitischer Krisenherde, wie zum Beispiel aktuell Taiwan. Hinzu kommen die negativen Effekte von Inflation und Fremdwährungsentwicklungen.
Das Management der Semperit-Gruppe agiert umsichtig und hat die Evaluierung entsprechender proaktiver Maßnahmen zur Mitigation dieser Entwicklungen frühzeitig eingeleitet; Maßnahmenpakete, insbesondere im Bereich der Materialwirtschaft, sind erfolgreich in Umsetzung. Die aktuellen geopolitischen und marktbezogenen Entwicklungen werden ebenso genau beobachtet, wie deren Auswirkungen auf Investitionsgütermärkte sowie den Markt für Unternehmensübernahmen.
Wenngleich das Geschäftsjahr 2022 von besonderen Herausforderungen geprägt wird, bleibt der Fokus des Managements auf der strategischen Neuausrichtung: Obwohl die Transformation zum Industriegummispezialisten durch die Corona-Pandemie aufgeschoben worden ist, wird der eingeschlagene Transformationskurs konsequent weiterverfolgt. Dies beinhaltet auch die Erwägung weiterer Schritte, um die Trennung vom Sektor Medizin umzusetzen. Strategische Projekte in der Unternehmensentwicklung haben die klare Zielsetzung, anorganisch sowie organisch zu wachsen.
Im Einklang mit dieser Strategie hat die Semperit-Gruppe die Weichen für weiteres organisches Wachstum in ihrem Mega-Schlauchwerk im tschechischen Odry gestellt: Insgesamt werden in den kommenden Jahren 110 Mio. EUR in den weiteren Ausbau einer der weltweit größten Produktionsstätten für Industrie- und Hydraulikschläuche investiert, wobei besonderes Augenmerk auf Nachhaltigkeitskriterien und einen hohen Automatisierungsgrad gelegt wird. Der Regelbetrieb in der neuen Fertigungshalle mit einer Kapazität für die zusätzliche Produktion von 32 Mio. Meter an Hydraulikschläuchen soll im Jahr 2025 aufgenommen werden.
Über Semperit
Die börsennotierte Semperit AG Holding ist eine international ausgerichtete Unternehmensgruppe, die in den Sektoren Industrie und Medizin hochspezialisierte Produkte aus Kautschuk entwickelt, produziert und in über 100 Ländern weltweit vertreibt: Hydraulik- und Industrieschläuche, Fördergurte, Rolltreppen-Handläufe, Bauprofile, Seilbahnringe, Produkte für den Eisenbahnoberbau und Untersuchungs- und Operationshandschuhe. Die Zentrale des österreichischen Traditionsunternehmens, das seit 1824 besteht, befindet sich in Wien. Die Semperit-Gruppe beschäftigt weltweit rund 7.000 Mitarbeiter, davon rund 3.800 in Asien und rund 900 in Österreich (Wien und Produktionsstandort Wimpassing, Niederösterreich). Zur Gruppe gehören weltweit 16 Produktionsstandorte sowie zahlreiche Vertriebsniederlassungen in Europa, Asien, Australien und Amerika. Im Geschäftsjahr 2021 erzielte der Konzern einen Umsatz von 1.182,2 Mio. EUR sowie ein EBITDA von 361,8 Mio. EUR.
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